Montag, 22. November 2010

Transsib!!!:-)

Es ist komisch, so lange habe ich davon geträumt, einmal im Leben Transsib zu fahren, und jetzt ist es schon zum Alltag geworden. Arbeitstechnisch muss ich gerade ziemlich viel reisen, was natürlich ganz wunderbar ist. Werde voll der Sibirienexperte=)
Zugfahren ist unheimlich spannend, obwohl viele Russen das Gegenteil behaupten. Es gibt wie auch in der Ukraine drei Kategorien und wenn die Reise nur kurz ist auch noch eine Holzklasse. Ljuks ist die 1.Klasse. Hier schläft man für den dreifachen Preis in einem gut gepolsterten Zweierabteil. Im Kupe fährt man dann schon zu viert. Ich fahre allerdings immer 3.Klasse und zwar aus Prinzip. Dritte Klasse bedeutet ein 50-Mensch-Offener-Schlafwagon. Der besitzt ähnliche Annehmlichkeiten wie auch die beiden ersten Klassen. Es gibt zum Beispiel kostenlos heißes Wasser, mit dem man dann Tee und diverse Tütensuppen zum Verzehr zubereiten kann. Natürlich kann man Tee und Kaffee sowie Knabbersachen gegen ein kleines Entgelt  auch bei der Wagonvorsteherin erwerben. Jeder Wagon hat in Russland seinen eigenen Wagonvorsteher , meistens in Person einer Frau mittleren Alters, die beim Einstieg Fahrkarte und Pass prüft (ja, in Russland kann man Fahrkarten nur gegen Vorlage des Passes erwerben, damit auch bloß niemand abhaut), die Bettwäsche verteilt, putzt, Tee verkauft und ansonsten für Zucht und Ordnung sorgt. Ein Knochenjob, weshalb Freundlichkeit keine Selbstverständlichkeit ist. In der dritten Klasse sollte jedoch niemand fahren, der seine Ruhe haben möchte, denn das ist kategorisch ausgeschlossen. Auch die mitgebrachte Hausarbeit kontrolllesen ist grundsätzlich ausgeschlossen. Denn kaum hat man sich hingesetzt, lernt man auch schon seine Nachbarn kennen, was auch gar nicht verwunderlich ist, denn man wird schließlich 1-5 Tage zusammen verbringen. Und kaum ist der Zug angefahren, packen alle ihr Essen aus, Berge von Fleisch, Brot, Fisch aus Konserven, gefüllte Teigtaschen, Pfannkuchen und Süßigkeiten. Oft wird einem angeboten, mitzuessen. Für die Beschäftigung der nächsten Stunden ist damit gesorgt. Man isst und unterhält sich so über dieses und jenes, lässt die Landschaft an sich vorbeiziehen, was sehr meditativ sein kann, da sich diese fast nicht ändert. 1000 km Tajga, Birke um Birke, Dörfchen um Dörfchen, bis die Wagonführerin beschließt, dass jetzt Schluß mit lustig und Schlafenszeit ist und kollektiv das Licht ausschaltet. Wenn man Glück hat, wie ich neulich im Zug von Novosibirsk nach Krasnojarsk, dann fährt man mit einem Tatschiken und 20 jungen Wehrdienstleistenden im Zug nach Vladivostok und spielt die ganze Nacht in Halbdunkel "durak", ein russisches Kartenspiel, und fragt die Soldaten alles, was man von russischen Soldaten immer schon mal wissen wollte:-))) Wenn man kein Glück hat, dann sägt der Nachbar den gesamten sibirischen Wald in verschiedenen Tonleitern ab oder dünstet merkwürdige Sachen aus, das Kind schreit schon wieder, 30 chinesische Studenten fahren heim oder ein paar Bergleute feiern den Geburtstag eines Kumpel..am nächsten Morgen wacht man in der Gerücheküche auf, die völlig überhitzt ist, weil unglaublich geheizt wird, aber man die Fenster nicht öffnen kann..auch das Klo ist mittlerweile unbenutzbar geworden..und nur noch 2 Tage fahren..zum Glück hält der Zug an den größeren Stationen für mindestens 30 Minuten. Während des Haltes wird das Fahrgestell des Zuges von Mechanikern abgeklopft, die am Klang des Metalls hören, ob zum Beispiel die Bremsen eingefroren sind oder was nicht in Ordnung ist, Wasser wird nachgefüllt und, falls am Passagierzug noch zwei Wagen der russischen Post hängen, die Packete abgeladen. Man kann sich in Ruhe die Beine vertreten und Essen bei ein paar Omas oder am Bahnhofskiosk erwerben. Wenn man schnell ist, kann man sogar auf ein nicht ruckeliges Klo gehen:-))
Insgesamt liebe ich die russischen Züge (ernsthaft), wahrscheinlich, weil ich mit meinen Mitfahrern fast immer Glück habe und die meditaive Landschaft wahnsinnig und sehr entspannend finde, was der arbeitssüchtige Durchschnittsdeutsche aber wahrscheinlich nicht verstehen kann. Sogar der brummeligste Typ erweist sich bei mir als netter Mitreisender, der einem über die Arbeit und seine kranke Schwester in Moskau erzählt..in diesem Sinne: Счастливого пути! (Glücklichen Weg!= Gute Reise!)
Mein Zug nach Moskau im Warschauer Ostbahnhof

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